Charlotte Beaudry

Gloss
Nov 9 — Dec 21, 2013
von Bartha, Basel

Die figurative Malerei Charlotte Beaudrys (*1968) mag im Kontext der von Bartha Galerie überraschen. Seit mehr als zehn Jahren spürt die belgische Künstlerin Motive unserer medial geprägten Bilderwelt auf und widmet diesen ganze Serien in Öl auf Leinwand. Sie malt junge Frauen, Autos, Unterhosen, Pokale oder Blumenbouquets. Charlotte Beaudry findet ihre Sujets in der Realität, isoliert sie jedoch von ihrem Kontext und verzichtet auf eine Verortung im Raum. Sie vergrößert, macht Close-ups und malt in schonungslosen Frontalansichten. Indem sie ungewöhnlich nahe ranzoomt, entgeht einem kein Detail der scheinbar perfekten Abbildung, man findet jedoch auch keine Anhaltspunkte von Kontext, Herkunft oder Umraum. Diese Isolation des Objekts im Bild verleiht Beaudrys Kunst eine gewisse, teils verstörenden Melancholie und macht sie gleichzeitig extrem anziehend. Für die kommende Ausstellung vereint die Künstlerin Ergebnisse ihrer Auseinandersetzung mit den "Accessoires des femininen Universums", wie sie selbst erklärt. Als faszinierendes Ganzes wird unter dem Titel "Gloss" eine Gruppe neu entstandener Malereien, kombiniert mit Video und Skulptur gezeigt. Beaudry erweitert mit den neuen Arbeiten ihr Bildrepertoire um verschiedenste Themen von weiblicher Schönheit, Schmuck und Opulenz. Die mit Accessoires wie Perlenketten oder lackierten Fingernägeln verbundenen Verführungsstrategien werden dabei gruppiert und explizit gemacht. Neben dieser motivischen Weiterentwicklung ist Beaudrys Spiel mit den Dimensionen eine Besonderheit der Schau. Das gängige Großformat der Leinwände wird in spannungsvollem Rhythmus von Miniaturen durchbrochen. So lockt uns beispielsweise die Skulptur "Pleasure", ein aus der Wand ragender Finger am Eingang der Galerie, gestisch hinein in das ambivalente Universum von Schönheit, Spaß und sexueller Verführung. Die von Beaudry versammelten Objekte der Begierde, eine schillernd glänzende Welt von Schmuck, Make-Up und Pelz wird groß aufgeblasen und in Öl auf Leinwand verewigt. Seltsam einsam wirken die Accessoires. Sie schwanken zwischen Anziehung und Unbehaglichkeit. Eine Perlenkette ohne Trägerin, nicht verortet im Raum lässt uns bloß spekulieren, wessen Hals sie wohl geschmückt haben könnte und ob sie denn echt sei. Schönheit ist bekanntlich Geschmackssache. Und doch gibt es gewisse Standards und altbewährte Klassiker, die sich seit Jahrzehnten nicht verändert haben. Trotz Mode-Revolution, Emanzipation und allgemeiner Auflockerung der Grenzen zwischen den Geschlechtern bleiben sie manifest. Lippenstift, Nagellack und Pelz gelten nach wie vor als Synonyme für feminine Sinnlichkeit, Sexualität und Eleganz. Die Zuschreibungen und Sinnbilder bleiben standhaft und Charlotte Beaudry entpuppt sich als Meisterin im Aufspüren dieser Konnotationen. Dabei konfrontiert uns Beaudry nur scheinbar mit Accessoires, mit bloßem Beiwerk. Die Videoarbeit "Anne" führt uns mit spielerisch-humorvollem Unterton vor Augen, wie dieses Beiwerk wortwörtlich zur Waffe der Frau werden kann: Eine Dame in schwarzem Bleistiftrock, weißer Bluse und schwarzem Blazer leert ihre Handtasche auf dem Boden aus und wirft die sich eben noch darin befindlichen Gegenstände Geschützen gleich in Richtung Kamera. Die Projektile finden jedoch kein feindliches Gegenüber, sondern kehren wie ein Bumerang wieder zur Frau zurück. Das Video signalisiert die Unmöglichkeit, sich dieser obligatorischen Geschlechter-Attribute zu entledigen. Weiter verweist das im Video zurückgeschleuderte Mobiltelefon auf die Omnipräsenz und unseren ständigen Gebrauch von mobiler Kommunikation. Beaudry sieht darin einen Ersatz, ja sogar eine Prothese unseres Hör- und Sprechsinns und erklärt: "Le téléphone est le sexe de notre communication avec le monde". Charlotte Beaudry schafft es immer wieder auf erstaunliche Weise gerade durch die Einfachheit ihrer Sujets und die simplen Kompositionen ihrer Werke unsere Wahrnehmung zu hinterfragen, und führt uns damit unsere nur vermeintlich freien, tatsächlich jedoch steuerbaren Assoziationen vor Augen. Sie nimmt Geschlechterzuschreibungen sowohl implizit wie auch eindeutig vor, hinterfragt sie gekonnt und deutet durch die äußerst ästhetische Darstellung ihrer Motive verführerisch mit dem Finger darauf. So demaskiert sie in jedem einzelnen Bild, ob Perlenkette oder Diadem, mit erfrischendem Humor und gleichzeitig mitschwingenden, melancholischen Unterton unsere Realität.